von Jasmin Löffler
Welchen Wert haben Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft? Diese Frage kommt zurzeit immer öfter auf, wenn wir an geschlossenen Kultureinrichtungen vorbeilaufen und sehen, wie unsere Lieblingstheater, -konzerthallen, -galerien und so weiter leer stehen und es auch nicht sicher ist, wann und ob sie überhaupt wieder öffnen können.
Es steht außer Frage, dass Kontakte reduziert werden müssen, um die Pandemie einzudämmen und es ist verständlich und richtig, die möglichen Treffpunkte von Menschen zu minimieren. Allerdings werden staatlich gesetzte Priorisierungen durch politische Krisenentscheidungen deutlich: Die Kultureinrichtungen machten zu, während Gastronomie und Einzelhandel noch länger betrieben werden durften und Gottesdienste sogar während des Lockdowns stattfinden dürfen.
Trotz umfangreicher Hygienekonzepte bleiben die Kultureinrichtungen nun seit fast einem Jahr geschlossen. Das Dortmunder Konzerthaus hat beim Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut eine Studie in Auftrag gegeben, die wissenschaftlich belegt, dass die Ansteckungsgefahr vor Ort tatsächlich sehr gering ist und 50% der Plätze belegt werden könnten. Der Intendant Raphael von Hoensbroech erklärt, dass in seinem Haus die Luft alle 20 Minuten komplett ausgetauscht würde und dies auch in vielen anderen Kultureinrichtungen der Fall sei.
„Das beste Hilfsprogramm, das man aufsetzen kann, ist, dass man dann, wenn es infektiologisch (…) und gesellschaftspolitisch vertretbar ist, solche Kulturhäuser wie unseres wieder öffnet. Denn das was dann passiert ist, dass Künstler[:innen] wieder eine Bühne haben, wieder ein Einkommen haben, wieder ein Publikum haben und nicht allein der Steuerzahler dann diese Hilfen zahlt, sondern das über die Eintrittsgelder mitfinanziert wird.“
Ziel ist es, dass hinreichend Zuschauer:innen kommen und sich Einrichtungen wieder selbst erhalten können und nicht mehr nur auf staatliche Hilfen angewiesen sind.
Wie sieht Kulturfinanzierung in Deutschland generell aus?
In Deutschland wird die öffentliche Kulturfinanzierung von Bund, Ländern und Kommunen übernommen, wobei letztere den Hauptanteil tragen und primär für die Kulturfinanzierung zuständig sind. Die Gemeinden prägen damit maßgeblich die kommunale Kultur vor Ort und finanzieren sowohl Einrichtungen als auch Künstler:innen-Initiativen. Insbesondere werden Theater, Musik und Museen bezuschusst. Im Jahr 2017 stellten die Kommunen 44% der Kulturausgaben bereit, in Bezug auf den kommunalen Gesamthaushalt waren das 2,3%. Im Jahr 2017 beliefen sich die laufenden Kulturausgaben der Gemeinden auf 4,7 Milliarden Euro. In Köln ergibt dies für das Jahr 2017 circa 210€ pro Person. Dabei unterscheidet sich je nach Bundesland, wie sich dieses Budget zusammensetzt. In NRW gibt es im Vergleich zu anderen Bundesländern den höchsten Kommunalisierungsgrad im Bereich der Kultur, so stemmen die Gemeinden ¾ der Ausgaben.
Die Länder fördern auf unterschiedliche Weise den Kultursektor. Sie unterhalten z.B. eigene Kultureinrichtungen und unterstützen die Gemeinden. Dabei fällt auf Landesebene die Höhe von Kulturausgaben sehr unterschiedlich aus. Insgesamt entfielen 2017 nur 2,2% des Gesamthaushaltes der Länder (inklusive Gemeinden) auf den Kulturbereich. In NRW waren das im Jahr 2017 ca. 1,8 Milliarden Euro, pro Einwohner:in in NRW sind das ca. 100 Euro.
Der deutsche Kulturetat (des Bundes) steigt tendenziell: 2019 waren es 1,58 Milliarden Euro, 2020 knapp 2 Milliarden Euro und 2021 2,14 Milliarden Euro. Der Bund finanziert im Kulturbereich hauptsächlich die gesamtstaatliche Repräsentation, die Erhaltung des kulturellen Erbes, auswärtige Kulturpolitik, die Pflege des Geschichtsbewusstseins und die Hauptstadtförderung. Im Jahr 2017 lag der nationale Durchschnitt für die öffentlichen Pro-Kopf-Ausgaben im Bereich Kultur bei rund 138€. Hierbei unterscheiden sich die lokalen Werte und es lässt sich festhalten, dass je größer die Städte und damit deren kulturelles Angebot ist, desto höher sind die Pro-Kopf-Ausgaben. So lag im Jahr 2017 die Pro-Kopf-Förderung für Kultur in Großstädten bei ca. 160€ pro Person und in sehr kleinen Städten bei gerade einmal um die 25€.
Kulturbudget pro Kopf im Jahr 2017:
Ort | Pro/Kopf |
Nationaler Durchschnitt | 126,77€ |
Berlin | 186,55€ |
München | 140€ |
Hamburg | 196,11€ |
Bonn | 207€ |
Düsseldorf | 230€ |
Köln | 210€ |
Wuppertal | 130€ |
Ein möglicher Neustart für die Kultur?
Der Bund stellt neben dem jährlichen Kulturetat im Jahr 2020 im Rahmen des Projekts NEUSTART KULTUR zusätzliche Fördermittel im Umfang von 1 Milliarde Euro zur Verfügung. Diese sollen für den Erhalt der Kulturinfrastruktur, das Umsetzen von Hygienekonzepten, Digitalisierung und die allgemeine Unterstützung von bundesgeförderten Einrichtungen dienen. Zunächst hört sich dieses Förderprogramm sehr vielversprechend an, jedoch wirkt es in Relation zu den zahlreichen geschlossenen Kultureinrichtungen unzureichend. Viele kritische Kulturschaffende fragen sich, wie viel Wert der Kultur vom Staat tatsächlich gegeben wird, wenn man vergleicht, dass die Rettung durch der Fluggesellschaft Lufthansa durch Teilverstaatlichung mit 9 Milliarden Euro unterstützt wurde.
Der emotionale Wert der Kultur in Zeiten wie diesen ist immens. Gerade wenn Menschen ihrem normalen Alltag nicht mehr nachgehen können und ihr Leben sich so abrupt verändert, brauchen sie Rückhalt. Kunst kann in diesem Kontext einen Zufluchtsort bieten, inspirieren und allgemein zu (Selbst-) Reflektion und zur psychischen Ausgeglichenheit und Gesundheit beitragen. Wie viel sollte uns das wert sein?