von Lilly Schäfer
Die Philosophie des Kunsthafens
„Wir […] sind neugierig und gehen unvoreingenommen und offen an die Dinge heran. Elitäres Kunst-Denken liegt uns fern. Auch unbekannte, aber dafür qualitativ hochwertige und künstlerisch wertvolle Arbeiten und Projekte wecken unser Interesse […] Die unkonventionelle Ästhetik der Kunst fördern wir.“
Christian, Nadine und Lenah sind der Kunsthafen. Sind sind ein junges, Team, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Kölner Kunst- und Kulturszene mit einer Leidenschaft für Newcomer-Kunst und einem Faible für Unkonventionelles zu bereichern. Die Verbindung der drei Betreiber:innen entstand durch eine Veranstaltung im Kulturbunker in Köln-Mülheim, in der sie alle auf andere Weise mitwirkten. Das ist auch heute noch der Fall: Nadine engagiert sich politisch und kommt aus dem sozialpädagogischen Bereich, Christian ist gelernter Veranstaltungskaufmann und außerdem sehr musikaffin, Lenah ist freiberufliche Tänzerin und Performerin. Seit September 2020 kümmern sie sich als Betreiber:innen um die Kuration des Kunsthafens. Und auch wenn jede:r von ihnen Expert:in in ihrem/seinem spezifischen Fachbereich ist, lautet die oberste Devise doch: Die Programmaufstellung ist und bleibt stets Teamsache!
Die Geburtsstunde des Kunsthafens war eine öffentliche Ausschreibung des Kulturamtes der Stadt Köln, welche das Trio mit ihrem Namensvorschlag „Kunsthafen“ gewann. Dieser durchaus passende Titel ist zum einen natürlich auf die tolle Lage am Rhein, direkt gegenüber des Yachthafens, zurückzuführen. Zum anderen wohnt dem Namen auch eine tiefere Bedeutung inne:
„Ein Hafen ist ein Ort, an dem man ankommt und seinen Anker legen kann. Ein Ort, an dem sich verschiedene Strömungen zusammenfinden.“
Geschichte und Konzept des Hauses
Ab dem Jahr 1926 fungierte die Halle als Getreidespeicher, daher auch die Lage im Kölner Rheinauhafen, direkt gegenüber der Kranhäuser. Von außen ein imposanter Massivbau, der im Inneren einen Zauber der Leichtigkeit und des kreativen Schaffens entfaltet. Im klassischen Fabrik-Flair bietet die lichtdurchflutete, weiße Halle mit ihren monumentalen weißen Säulen 300m² Platz für Ausstellungen, Konzerte, Performances, Lesungen und Experimentelles.
„Wir möchten den Kunsthafen mit einem Mix aus verschiedenen Sparten und Veranstaltungen bespielen, der Fokus soll jedoch auf der Bildenden Kunst liegen, diese kombinieren wir mit genre-übergreifenden Veranstaltungen. Dabei soll das Programm möglichst progressiv sein, aktuelle und zeitlose Themen des Kunstgeschehens aufgreifen.“
In der Kuration des Kunsthafens können die drei Gründer:innen jedoch nicht ganz frei agieren, denn für 100 Tage im Jahr ist die Ausstellungshalle für die Künstler:innen der 34 hausinternen Ateliers des Kunsthauses Rhenania reserviert. Manche dieser Ausstellungen und Musik-Events gibt es schon seit Jahren und das soll auch in Zukunft so bleiben. An den restlichen Tagen im Jahr bringen Lenah, Nadine und Christian frischen Wind in die Ausstellungshalle. So beschreiben sie das Programm des Kunsthafens als eine Kombination aus Altbewährtem und Innovativem.
Zwischen Corona-Formaten und Zukunfts-Hoffnung
Wie schon angeteasert erwartet uns in den kommenden Monaten eine bunte Mischung aus verschiedensten künstlerischen Stilen im Kunsthafen.
So kräftezehrend das letzte Jahr auch für die Kultur- und Veranstaltungsbranche war, der Kreativität und den Mühen von Kulturschaffenden schienen keine Grenzen gesetzt gewesen zu sein. So auch bei den Betreiber:innen des Kunsthafens. Im Gegensatz zum berauschenden Digital-Angebot vieler kultureller Institutionen und Veranstalter:innen stellten Christian, Nadine und Lenah eine Ausstellung auf die Beine, die in Präsenz besucht werden kann: eine Fensterschau mit Arbeiten von sechs verschiedenen Künstler:innen aus Köln und Umgebung. Die Ausstellung kann perfekt in einen Spaziergang am Rheinauhafen integriert werden und sollte nach Empfehlung der Betreiber:innen abends oder nachts besucht werden, da die Werke durch die gute Beleuchtung bei Dunkelheit noch besser zum Vorschein kommen.
Mit gedrückten Daumen und einem ansteckenden Optimismus haben die drei auch schon einige Präsenz-Veranstaltungen für die kommenden Monate geplant. Unter dem Ausstellungstitel „as yet untitled“ bespielt der Künstler Paul Jonas Petry vom 23.-25. April die Halle des Kunsthafens mit seinen Objekten und Skulpturen im Kleinformat. Vom 14.-16. Mai erwartet euch die Arbeit „60:60“ des Künstler:innen-Duos Lenah Flaig und Robin von Gersten, bei der 60-stündiges Videomaterial in 60-facher Beschleunigung in Form einer performativen Ausstellung zu sehen sein wird. In Zusammenarbeit mit dem Photoszene Festival stellt der Kunsthafen außerdem vom 22.-30. Mai Arbeiten der Kölner Fotografin Antonia Gruber aus. Hinter dem Ausstellungs-Titel „Bipolaroid Disorder“ verstecken sich Werke, die sich der Visualisierung der psychischen und physischen Fragilität des Menschen verschrieben haben. Und auch Tanz-Begeisterte finden ihre Interessen in dem künstlerischen Programm wieder, denn am 18. und 19. Juni bespielt das Duo Artmann & Duvoisin mit seiner Performance „Umzug in eine vergleichbare Lage“ die Bühne des Kunsthafens. In Anlehnung an Simone Fortis „News Animations“ hören und verarbeiten sie die Körperlichkeit von Radionachrichten und erforschen den Weg vom Wort über die Sprache zur Geste, die den Körper einnimmt und damit den Worten eine physische Realität verleiht. Ebenfalls im Juni zeigt der Kunsthafen die interkulturelle Ausstellung „Indernet 2021“ des Masala Movement, welche indische Kunst und Popkultur in den Mittelpunkt stellt.
Mit viel Liebe und Zeit zum perfekten Programm
Generell bemühen sich Nadine, Lenah und Christian so oft wie möglich Ausstellungen zu kuratieren, die mit Programmpunkten aus anderen künstlerischen Sparten, aber mit ähnlichen Themen ergänzt werden können. Das ermöglicht ein facettenreicheres Kunsterlebnis und oft auch bewusst gewollte Reibungsflächen, die zur Diskussion anregen sollen.
Zu guter Letzt sollte erwähnt sein, dass besonders die Vermittlungsarbeit der drei Kurator:innen, besser gesagt ihr Auswahlprozess für die eingeschickten Anfragen, Beachtung verdient.
„Es liegt uns sehr am Herzen, dass wir unvoreingenommen an alle Anfragen herangehen, egal wie groß der Bekanntheitsgrad des/der jeweiligen Künstler:in ist, egal ob es sich nur um eine lose Idee oder ein perfekt ausgearbeitetes Konzept handelt. Wir möchten für jeden ansprechbar sein.“
Auf die Frage, nach welchen Kriterien sie Künstler:innen auswählen, fiel die Antwort nicht leicht. Es gibt keine simple Checkliste, die es abzuarbeiten gilt, denn jede Anfrage wird individuell bearbeitet. Unabhängig davon, wie die Antwort dann am Ende ausfällt, ist es dem Trio sehr wichtig, dass jede:r eine persönliche Rückmeldung von ihnen erhält. Eine profitorientierte Auswahl der Künstler:innen, wie es leider so oft in Galerien der Fall ist, sei ihnen fern. Lediglich Anfragen, die Beleidigungen, Obszönitäten, persönliche Angriffe, gewaltverherrlichende, rassistische, antisemitische, homophobe, sexistische oder anderweitig diskriminierende Äußerungen enthalten, werden nicht berücksichtigt.
Die Diversität und Kreativität des Kunsthafens bringt ohne Frage frischen Wind in das Kunst- und Kulturgeschehen Kölns und bereichert so die innovative, künstlerische Dynamik der Stadt.