Jérôme Lenzen, Ko-Geschäftsführer des Kölner Instituts für Kulturarbeit und Weiterbildung, hat viele Fragen! 11 davon stellt er Kunst- und Kulturschaffenden in Köln. Das Besondere? Die Fragen bleiben identisch, die Befragten jedoch wechseln.
Heute spricht Jérôme mit Katharina Klapdor. Sie ist Kulturanthropologin und arbeitete bisher hauptsächlich in interdisziplinären oder fotografiebasierten Ausstellungsprojekten und im Bereich Theater/Performances. Nach Stationen in Münster und Dortmund lebt sie seit Sommer 2018 in Köln. Seit Sommer 2019 ist sie Projektleiterin bei ArtAsyl e.V., hat für die letzte Ausgabe des CityLeaks Urban Arts Festival das Back Office geleitet und ist seit November letzten Jahres Produktionsleiterin für das CircusDanceFestival. Außerdem engagiert sie sich bei And She Was Like: BÄM!. Eigentlich hatte sie vor, ihre Leidenschaft für Talks und Moderation auszubauen, z.B. in unserer sze-Reihe ‚Women in Arts and Culture‘ oder für das Sommerblut-Festival. Mal sehen, wann es damit weitergehen kann…
„Gerne hier sein und nicht mehr weg wollen – dafür steht Köln“
Wofür steht die Kölner Kultur (respektive was ist typisch für Köln)?
Für mich ist Köln seit meiner Jugend, als ich hier häufig zu Gast war, die Stadt des Draußen-Seins: Von Kiosk zu Kiosk, von Ort zu Ort, vom Ebertplatz zum Rhein, vom Brüsseler zum Stadtgarten, usw. Was für mich aber in Köln am deutlichsten ist: Ich habe noch in keiner Stadt gewohnt, die von ihren Bewohner:innen so geliebt und gefeiert wird. Gerne hier sein und nicht mehr weg wollen – dafür steht Köln für mich und das spürt man an vielen Stellen, das macht Köln für mich aus.
Welche Kulturveranstaltung in Köln (Ausstellung, Festival, etc.) hat Dich zuletzt vom Hocker gehauen?
Um ehrlich zu sein – mich hauen spontane Ereignisse vom Hocker. Auch wenn ich weiß, dass die Arbeiter:innen in Krankenhäusern vieles anderes statt Applaus brauchen: Solche Ereignisse berühren mich, spontane Zusammenkünfte, Kundgebungen, emotionale Momente. Kultur ist nämlich an sich ständig und überall (lacht). Die letzte Ausstellung, die mich nachhaltig berührt, tief beeindruckt und geprägt und damit vom Hocker gehauen hat, war „The Cleaner“, eine Ausstellung über Marina Abramovic in der Bundeskunsthalle in Bonn (2018).
Und wo hast Du Dir mehr erhofft?
Schwer zu sagen! Auch auf die Gefahr hin mich jetzt unbeliebt zu machen: Der Kölner Karneval. Ich habe jetzt zwei Jahre hintereinander versucht da reinzukommen, es gelingt mir bisher nicht. Aber ich gebe nicht auf (lacht).
Gibt es eine/n Kulturschaffende/n in Köln, die/der von Dir besonders bewundert wird?
Zur Zeit bewundere ich Dorsa Jahaverian, mit der wir für Ihre Masterarbeit an der KisD mit ArtAsyl kooperieren. Grob gesagt fragt ihre Arbeit danach, wie junge Menschen, die strukturell benachteiligt sind, dazu ermutigt werden können, an Design-Hochschulen zu studieren oder allgemein Kunst- und Kulturproduktion als Beruf zu erwägen. Das ist für mich genau die Frage, die wir aktuell stellen müssen: Nicht mehr über Herkunft reden, sondern über Klasse, über Macht, über arm und reich. Dass sie dies nun mit Design erfragt, ist für mich absolut fortschrittlich!
Ai Wei Wei hat Berlin unter großem Getöse verlassen, welchen Kulturmenschen hättest Du gerne in Köln?
Again: Marina Abramovic. Und meine Schwester, die Theatermacherin und Autorin Anna-Lena Klapdor. Aber sie ist aus ihrem Ruhrgebiet leider nicht wegzubewegen (lacht).
„Ich wünsche mir, dass öffentliche Räume, Parks, Grünflächen und Plätze, unkompliziert und ohne große Beschränkungen als Räume genutzt werden können“
Neue Oper, neue Museen, neuer Dom? Was für ein Gebäude wünscht Du dir für Köln?
Kein Gebäude: Ich wünsche mir, dass öffentliche Räume, Parks, Grünflächen und Plätze, unkompliziert und ohne große Beschränkungen als Räume genutzt werden können, um Kunst zu zeigen, politische Diskussionen abzuhalten, Versammlungen und Kundgebungen einzuberufen, zu lesen, zu singen, zu tanzen, zu performen, usw. Und, dass die Menschen so sowohl auf Einladung UND spontan im Vorbei gehen partizipieren könnten.
Und welches gibt es schon, dass Dir besonders gefällt?
Es mag kitschig sein, fragt meine Freunde, unter denen ich dafür häufig schon belächelt wurde, aber ich liebe den Dom! Und das Odonien!
‚Kultur lebt in Köln‘ heißt der neue Slogan des Stadtmarketing: Was wäre Deiner?
Puh. So jedenfalls nicht. Ich wünschte sehr, die Menschen würden aufhören den Kulturbegriff zu instrumentalisieren. Nicht nur im Marketing, sondern auf allen gesellschaftlichen Ebenen.
In Berlin schließen die ersten Clubs, wird jetzt Köln zur Nummer 1 oder doch Wuppertal?
Ich hoffe sehr, dass Berlin weiterkämpft und die Entscheider:innen dort begreifen, dass Berlin für die ClubSzene weltweit geliebt wird. Es steht also viel mehr auf dem Spiel als ein nationales Image.
Ehrenfeld wird teurer, wo ist die Freie Szene jetzt noch zu Hause?
Ehrenfeld darf nicht als verloren drangegeben werden!
Wem sollen wir diese Fragen als nächstes stellen?
Prasanna Oomen-Hirschberg, Leonie Pfennig, Johanna Warchol, Selina Pfrüner, Dana Khamis.