von Jérôme Lenzen und Marie Brüggemann
Aufgrund der aktuellen Situation durch die Verbreitung der infektiösen Krankheit Covid-19 und den damit verbundenen Anordnungen können bis auf weiteres keine öffentlichen Veranstaltungen stattfinden. Davon betroffen sind insbesondere Freiberufler:innen, Kulturschaffende, Künstler:innen – die komplette Kultur- und Kreativszene. Da es einer Vielzahl von Kulturbetrieben sowie selbstständigen Künstler:innen in diesen Tagen so geht wie uns, wollen wir uns nicht abmelden, sondern mit diesem Beitrag versuchen einen kleinen Überblick darüber zu geben, welche Maßnahmen geplant sind, wie man als Einzelne:r auf Einnahmeausfälle reagieren kann, welche Ideen und Ansätze existieren und natürlich welche Forderungen bislang aus der Szene herausgestellt werden, um diese existenzbedrohende Situation zu lösen.
Wer ist betroffen und in welchem Maße?
Zum Verständnis derer, die sich mit der Materie vielleicht noch nicht viel beschäftigt haben, wollen wir zunächst ein paar wenige Beispiele von Betroffenen anführen:
Als Bildungswerk, das Weiterbildungsangebote, Workshops und Seminare anbietet, ist auch der Betrieb unseres Trägervereins, das Kölner Institut für Kulturarbeit und Weiterbildung, vom Corona-Shutdown immens betroffen. Viele Veranstaltungen können nicht wie gewohnt stattfinden. Jedoch wollen wir unser Angebot nicht ausfallen lassen oder absagen müssen, weswegen am vergangenen Wochenende unsere Weiterbildung Kultur- und Non-Profit-Management spontan auf Skype umgestellt wurde. Wir versuchen an alternativen Kalenderoptionen zu arbeiten, sodass für alle möglichen Verläufe der aktuellen Situation ein Plan B, C oder D besteht. Allerdings passiert das bei einem Großteil unseres Personals im Home-Office.
Auch betroffen sind beispielsweise Musiker:innen – Auftritte, musikpädagogische Angebote, Nebenjobs im Musikbereich (z.B. Aufbau/Abbau/Handling von Technik, Service und Theke bei Musikveranstaltungen) sind allesamt abgesagt. Stattdessen realisieren Bands momentan Livestreams auf YouTube oder anderen sozialen Plattformen. Das ist fantastisch – besonders für die Konsument:innen! Nach Ideen und Möglichkeiten, um Geld einzunehmen, müssen sie jedoch weiterhin suchen!
Dozierende, die in außerschulischen und außerstaatlichen Bildungseinrichtungen lehren, haben ebenfalls mit einer Streichung von beispielsweise museumspädagogischen Angeboten zu tun. Kunsttherapeutische Angebote wie Zeichen- und Malkurse haben leider nicht die Möglichkeit auf Skype o.Ä. auszuweichen. Wichtig ist es hier, bislang durchgeführte Kurse so schnell wie möglich zu bezahlen und nicht auf den nächsten Monat zu warten. Außerdem laufen bspw. an Volkshochschulen gegenwärtig juristische Prüfungen über Ausfallhonorare. Dabei handelt es sich um eine prozentuale Entschädigung bei kurzfristigen Absagen. Ein Blick in den eigenen Rahmenvertrag kann hinsichtlich solcher Vereinbarungen weiterhelfen!
Der Bundesverband Kreative Deutschland hat zu den Umsatzeinbußen von Kreativ- und Kulturschaffenden bereits eine Befragung durchgeführt: Der Verband schätzt, dass Umsatzeinbußen von über 30 % für das Jahr 2020 bei Soloselbstständigen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft zu erwarten sind.
Und was sagt die Politik zu dem Ganzen?
„Meine Botschaft ist klar: Wir werden Initiativen, Einrichtungen und Einzelkünstler, die durch die aktuelle Lage unverschuldet in existenzielle Nöte geraten, unterstützen und ihnen unter die Arme greifen. Das Corona-Virus darf nicht zu einer Krise der Kultur führen.“
Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft in NRW
Das Kulturministerium NRW sowie der Kulturrat führen derzeit Gespräche über die Hilfsmöglichkeiten für jegliche Art von Kultureinrichtungen – Einzelheiten werden derzeit jedoch noch nicht geliefert. Es heißt also: Abwarten!
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütter, stellt folgendes zu der Situation heraus:
„Bund und Länder beabsichtigen, in Abstimmung mit den Kommunen im erforderlichen Umfang Finanzhilfen und Mittel für Härtefälle insbesondere für freie Kulturschaffende sowie private Kultureinrichtungen bzw. kulturelle Veranstaltungsbetriebe zur Verfügung zu stellen.“
Verglichen mit den Ländern ist der Bund lediglich in wenigen Fällen Förderer – Kultur ist nämlich Ländersache! Dennoch sind auch aus Sicht des Bundes einige Dinge geplant. Konkret geht es hierbei um folgende Sofortmaßnahmen:
I. Sicherheit für verausgabte Fördermittel
Bei einem vorzeitigen Abbruch von geförderten Kulturprojekten und Veranstaltungen aufgrund des neuartigen Coronavirus/COVID-19 ist es im Rahmen einer Einzelfallprüfung nach dem öffentlichen Haushalts- und Zuwendungsrecht möglich, von Rückforderungen für bereits zur Projektdurchführung verausgabter Fördermittel abzusehen. Fördermittel, die infolge ausgefallener Veranstaltungen vom Zuwendungsempfänger aufgrund ersparter Ausgaben nicht benötigt werden, sind grundsätzlich zurückzuerstatten.
II. Schärfung bestehender Programme
Wir werden bestehende Förderprogramme der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien konsequent so schärfen, dass die Maßnahmen sowohl Kultureinrichtungen als auch insbesondere in Not geratenen Künstlerinnen und Künstlern und anderen in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätigen Freiberuflerinnen und Freiberuflern zugutekommen. Wir werden sie zu diesem Zweck zielgerichtet einsetzen.
III. Einsatz zusätzlicher Mittel
Wir setzen uns über den bestehenden Haushalt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien hinaus dafür ein, zusätzliche Mittel für Kultur und Medien als Nothilfe zur Verfügung zu stellen, um die bereits entstandenen und noch entstehenden Belastungen zu mindern.
Welche Werkzeuge zur Unterstützung gibt es und welche sind denkbar?
Zur Unterstützung derer, die momentan aufgrund von angeordneten Schließungen ihren Tätigkeiten nicht nachgehen können, bestehen bereits ein paar Möglichkeiten: Für die klassischen Wirtschaftszweige wird vor allem über so genannte KFW-Kredite und Kurzarbeiter:innengeld gesprochen. Die KFW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) wurde nach dem Zweiten Weltkrieg am 18. November 1948 mit dem Ziel gegründet, den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft zu finanzieren; für viele Kulturbetriebe kommt ein Kredit natürlich nicht in Frage, hier geht es ausschließlich darum die Liquidität aufrecht zu erhalten.
Über die Arbeitsagentur können bspw. Kreativbetriebe Kurzarbeit anzeigen, dadurch wird die Arbeitszeit pro Woche und analog dazu der Verdienst um X % heruntergefahren. Die Differenz zum eigentlichen Gehalt übernimmt dann für maximal 12 Monate zu 60% die Arbeitsagentur. Allerdings werden nach unserem Kenntnisstand gemeinnützige Träger derzeit noch nicht mitgedacht.
Daneben gibt es weitere denkbare Szenarien, um mit dieser schwierigen Situation umzugehen. Beispielsweise könnten die Jahresverteilungen der Verwertungsgesellschaften vorgezogen werden, KSK-Zahlungen verschoben werden, Steuererleichterungen vorgenommen werden, unbürokratische Mikrokredite realisiert werden (zinslos) oder Krankenkassenbeiträge anteilig übernommen werden. Weitere Ideen wären eine zeitlich befristete Aufnahme von Soloselbstständigen in die Arbeitslosenversicherung oder eine Ausweitung des Kurzarbeitergeldes auf geringfügig Beschäftigte. Viele dieser Maßnahmen wurden vom Bundesverband Kreative Deutschland vorgeschlagen.
Und was kann man eigentlich persönlich tun?
Falls ihr selbst in einem Projekt mitarbeitet und wegen der Situation keine wirkliche Arbeitsmöglichkeit mehr habt, könnt ihr Kontakt zu Fördermittelgebern aufnehmen. Versucht herauszufinden, welche Auswirkungen eine Verschiebung hat und inwieweit euer Projekt abgeändert werden kann. Außerdem solltet ihr euch über eure Pflichten für den Verwendungsnachweis versichern und prüfen inwiefern der Durchführungszeitraum des Projekts Potential für eine Verschiebung hat.
Der Fond Darstellende Künste empfiehlt zudem allen frei produzierenden Künstler:innen, die Ausfälle belastbar (wenn möglich mit Nachweisen) zu dokumentieren.
Hierzu gibt es eine Abfrageliste von Verdi, in der u.a. geregelt wird welches Honorar vereinbart war, wie hoch das Ausfallhonorar wäre, welche Eintrittsausfälle zu beklagen sind, ob die Veranstaltung selbst abgesagt wurde oder durch Dritte, welche Ausgaben bereits getätigt wurden usw.
Ihr könnt euch außerdem auch bei Euren Abgeordneten melden, damit diese Eure Situation besser einschätzen können.
Ein letzter Tipp für Alle: Nutzt die Zeit richtig! Ihr könnt beispielsweise Aufgaben nacharbeiten, für die in letzter Zeit eher wenig Zeit da war. Oder ihr plant zukünftiges. Gerade in einer solchen Situation können vielleicht komplett neue Projektkonzeptionen entstehen! Bleibt kreativ!