Jérôme Lenzen, Ko-Geschäftsführer des Kölner Instituts für Kulturarbeit und Weiterbildung, hat viele Fragen! 11 davon stellt er Kunst- und Kulturschaffenden in Köln. Das Besondere? Die Fragen bleiben identisch, die Befragten jedoch wechseln.
Heute spricht Jérôme mit Leonie Pfennig. Sie ist in Bonn aufgewachsen und studierte Kunstgeschichte und Europäische Ethnologie in Berlin. Nach Stationen als Fotoredakteurin bei verschiedenen Magazinen und Verlagen in Berlin und in der Presse- und Publikationsabteilung einer großen Galerie kam sie für einen Job als Pressesprecherin am Museum Ludwig zurück ins Rheinland. Seit 2015 arbeitet sie als freie Autorin, Redakteurin und Lektorin für Magazine wie Monopol, Stadtrevue, Art, KubaParis, sowie für Künstler:innen und verschiedene Kunstinstitutionen. Sie ist Chefredakteurin von Raum 5, dem Design-Magazin der Stadtrevue, und Mitgründerin von And She Was Like: BÄM! e.V., einer feministischen Initiative für Frauen* aus Kunst und Design im Rheinland.
„Ich bewundere jede*n, die*der den Mut hat, einen eigenen Ausstellungs-/Konzert-/Club-/Theaterraum in dieser Stadt zu betreiben — wissend, dass man finanziell immer am Minimum kratzt und mit sehr vielen sehr nervigen bürokratischen Hürden kämpfen muss, aber aus einem tiefen Bedürfnis heraus, einen Ort für künstlerische Produktion zu führen!“
Wofür steht die Kölner Kultur (respektive was ist typisch für Köln)?
Köln hat von allem etwas. Man hat ziemlich schnell einen Überblick, und trotzdem nicht das Gefühl alles zu kennen. Die Kunstszene, die mir von allen Kulturszenen am vertrautesten ist, ist überschaubar, aber sehr engagiert und professionell. Und zur Kölner Kultur gehört aber auch sowas wie die Büdchen-Kultur und natürlich der Karneval, beides liebe ich sehr an Köln.
Welche Kulturveranstaltung in Köln (Ausstellung, Festival, etc.) hat Dich zuletzt vom Hocker gehauen?
Die letzte Veranstaltung liegt gefühlt Ewigkeiten zurück. Im März war ich wirklich geflasht von der Programmreihe EXOPHONY der Akademie der Künste der Welt, die kurz vor dem Corona-Shutdown stattfand, genauer: dem Abend „Spelling Identitiy“ mit einer Voguing-Performance von Mandhla und einer Diskussion über Sprache und Identität mit den Autorinnen Fatima Khan, Alice Hasters, Karosh Taha und Anja Saleh.
„Mutet man dem Publikum nicht zu, einen ernsten Text auch ohne totale Übertreibung zu schlucken?“
Und wo hast Du Dir mehr erhofft?
Die Inszenierung von „Gegen den Hass“ der von mir hoch geschätzten Carolin Emcke am Schauspiel Köln war leider total enttäuschend, weil viel zu klamaukig, und ist dem großartigen Text überhaupt nicht gerecht geworden. Das hat mich richtig geärgert. Mutet man dem Publikum nicht zu, einen ernsten Text auch ohne totale Übertreibung zu schlucken?
Gibt es eine/n Kulturschaffende/n in Köln, die/der von Dir besonders bewundert wird?
Es gibt eine ganze Reihe von Frauen, welche die in der Vergangenheit doch sehr männlich dominierte Kunstszene in Köln entscheidend geprägt haben: Mary Bauermeister mit ihrem Atelier, das zum Zentrum der Fluxusbewegung Anfang der 60er Jahre wurde, die Galeristinnen Monika Sprüth und Philomene Magers und Gisela Capitain zum Beispiel. Ich bewundere jede*n, die*der den Mut hat, einen eigenen Ausstellungs-/Konzert-/Club-/Theaterraum in dieser Stadt zu betreiben, wissend, dass man finanziell immer am Minimum kratzt und mit sehr vielen sehr nervigen bürokratischen Hürden kämpfen muss, aber aus einem tiefen Bedürfnis heraus, einen Ort für künstlerische Produktion zu führen.
Ai Wei Wei hat Berlin unter großem Getöse verlassen, welchen Kulturmenschen hättest Du gerne in Köln?
Ich finde nicht, dass jemand in Köln leben muss, um hier wirken zu können. So lange die Stadt und die Institutionen genug Anreiz bieten, um Kulturschaffende für öffentliche Projekte oder Veranstaltungen temporär nach Köln zu holen, finde ich die Abwechslung bereichernd.
Neue Oper, neue Museen, neuer Dom? Was für ein Gebäude wünscht Du dir für Köln?
Eine Kunsthalle, also ein Ort für interdisziplinäre Ausstellungen und Programme ohne eigene Sammlung, wird schon lange und von vielen Seiten schmerzlich vermisst. Ich wünsche mir eher mehr öffentliche Freiräume, an denen Menschen zusammenkommen können, ob einfach nur um abzuhängen oder im Rahmen von kulturellen Projekten.
Und welches gibt es schon, das Dir besonders gefällt?
Das Museum Ludwig habe ich schon als Kind geliebt, das ist einfach unschlagbar. Ich mag die kantigen und auf den ersten Blick „hässlichen“ Gebäude lieber, als verschnörkelte Altbauten, also zum Beispiel die modernen Kirchen von Gottfried Böhm, St. Gertrud in der Krefelder Straße oder Christi Auferstehung am Kanal in Lindenthal.
‚Kultur lebt in Köln‘ heißt der neue Slogan des Stadtmarketing: Was wäre Deiner?
Ich finde solche Slogans meistens überflüssig und abgedroschen, da fällt mir keine gute Alternative ein. Das Geld, das man für die Entwicklung von solchen Slogans an Marketing-Agenturen zahlt, könnte man so viel sinnvoller direkt für die Kulturszene einsetzen …
In Berlin schließen die ersten Clubs, wird jetzt Köln zur Nummer 1 oder doch Wuppertal?
I wish! Ich gehe leider inzwischen viel zu selten in Clubs, vielleicht weil ich den Lieblingsclub immer noch nicht gefunden habe oder alle zugemacht haben.
„Der Ebertplatz ist nach wie vor ein total wichtiger Ort für die freie Szene.“
Ehrenfeld wird teurer, wo ist die Freie Szene jetzt noch zu Hause?
In Kalk, Deutz und Mülheim sind viele Ateliers und einzelne Projekträume. Der Ebertplatz ist nach wie vor ein total wichtiger Ort für die freie Szene. Aber es wird immer schwieriger, bezahlbare, spannende und noch nicht besetze Orte zu finden, da mache ich mir keine Illusionen.
Wem sollen wir diese Fragen als nächstes stellen?
Dem DEMASK Kollektiv.