von Marie Brüggemann
Fällt der Begriff Nachhaltigkeit im Gespräch mit Eltern, Freund:innen oder Arbeitskolleg:innen, geht die Diskussion meist direkt los in Richtung Klima- und Umweltschutz. Besonders brisant ist der Austausch beim gemeinsamen Essen, wenn die eine Hälfte der Gruppe vegan/vegetarisch isst und die andere mit vollem Genuss die Grillplatte für Zwei genießt. Der individuelle Flugverkehr und die Herkunft des neuen Outfits sind in der Regel dann auch nicht mehr weit entfernt. Meist folgt ein Gedankenaustausch über die Möglichkeiten den eigenen Alltag nachhaltiger zu gestalten: Den nächsten Urlaub mit Zug bestreiten, das Auto abschaffen, weniger Fleisch konsumieren, Second-Hand-Ware kaufen.
Diese und weitere Maßnahmen können – gerade im Privaten – schon eine Menge ändern. Darüber hinaus kann (und sollte) Nachhaltigkeit aber noch viel weitergedacht werden. (Und wir sind uns sicher, dass bereits viele von Euch dabei sind.) Gerade in Betrieben geht es dann nicht mehr nur um Klima und Umwelt, sondern auch um finanzielle und soziale Nachhaltigkeit. Was auf den Protokollen von Kulturbetrieben, von Museen, Theatern, Vereinen und Co. zu entdecken ist, kann ziemlich vielfältig sein: Lokale Bands buchen, Co-Working etablieren und damit Räume nachhaltiger nutzen, aber auch eine ausgewogene Beziehung zu den Mitarbeitenden herbeiführen und zukunftsorientiert mit Fördergeldern umgehen.
Die Verwirklichung der ganzen Nachhaltigkeitsgeschichte ist am Ende also gar nicht so easy umzusetzen, wie manch Mensch und Institution sich anfänglich erträumt. Ist die Stelle der/des Nachhaltigkeitsmanager:in einmal besetzt, gibt es keinen Stopp und keine Pause mehr – die Reise hat begonnen.
Nachhaltigkeit ist nicht gleich Klimafreundlichkeit
Um uns dem Thema Nachhaltigkeit von Anfang an möglichst strukturiert zu nähern, haben wir uns mit einem Nachhaltigkeitsexperten getroffen. Christoph arbeitet als Unternehmensberater für Nachhaltigkeit und hat sein Wissen mit uns geteilt. Laut Christoph gibt es drei Merkmale, die es zu erfüllen gilt, damit unser und Euer Kulturbetrieb als nachhaltig erklärt werden kann.
Zunächst sollte er ökonomisch rentabel organisiert sein – beispielsweise könnt Ihr Eure Räume untervermieten, wenn Ihr sie gerade selbst nicht benötigt. Wenn Ihr Konzerte, Aufführungen oder ähnliches veranstaltet, solltet Ihr außerdem darauf achten, dass ausreichend Tickets verkauft werden können. Die Ausgaben für die Durchführung des Events sollten gedeckt sein. Agiert ein Betrieb zusätzlich umwelttechnisch regenerativ – nutzt Ihr also u.a. etwa ein umweltfreundliches Heizsystem – habt Ihr bereits die zweite Charaktereigenschaft eines nachhaltigen Managements inne. Und last but not least: Euer Betrieb sollte sozial gerecht betrieben werden, damit Ihr Euch als nachhaltigen Kulturbetrieb beschreiben könnt. Wie das aussehen kann? Angefangen bei einem fairen Gehalt bis hin zu einem diversen Team, der Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung und einer Balance zwischen den Geschlechtern im Team, gibt es so einige Aspekte durch welche soziale Gerechtigkeit am Arbeitsplatz geschaffen werden kann.
So, das war das Wichtigste in Kürze – seid Ihr jetzt bereit mit Eurem Kulturbetrieb die Welt der Nachhaltigkeit zu betreten? Dann geht’s los mit der Suche nach einem realistischen Ziel!
Ohne Zielsetzung wenig Überlebenschance
Ist die Nachhaltigkeitsreise bereits angetreten, das Ziel jedoch nicht festgelegt, sollte das schnellstmöglich passieren. Denn die Zielsetzung ist stets der erste Schritt, erklärt uns Christoph. Also stellt Euch selbst die Fragen: Was heißt für uns Nachhaltigkeit? Was möchten wir damit erreichen? Wo soll es hingehen, um dort auch auf lange Frist bleiben zu können?
Und um Euch (und uns selbst) etwas zu motivieren, hier ein paar Beispiele, wie das Thema Nachhaltigkeit angegangen werden kann:
Das Grüne Museum
Die Veranstaltungsreihe „Das grüne Museum“ ist bereits seit 12 Jahren aktiv dabei ressourcenschonende und energieeffiziente Methoden für die Museumslandschaft zu diskutieren und zu tradieren. Ganz klar: Hier braucht es Akteur:innen mit dem richtigen Know-How! Expert:innen und Entscheidungsträger:innen sind ganz vorne mit dabei, aber auch Praktiker:innen und Interessensvertreter:innen sind bei Fragen in puncto Baumaßnahmen, Finanzen, Umweltauflagen bis hin zu Normen und Standards von Gewichtigkeit.
Das erste klimaneutrale Filmfestival in NRW
Das Edimotion Festival für Montage und Kleinkunst in Köln hat es 2021 geschafft, als erstes Filmfestival in NRW komplett klimaneutral zu handeln. Auf allen Planungsebenen wurden Ziele festgelegt und Maßnahmen ergriffen. Ihre Ziele veranschaulichen die Breite an möglichen Bereichen des Nachhaltigkeitsmanagements ziemlich passend: Die Palette reicht von Mobilität, Räumlichkeit, Unterbringung der Gäste, Catering, Barrierefreiheit und der Beschaffung von Produkten bis hin zu Gender und Diversity.
Positionspapier für nachhaltige Perspektiven für den Orchester- und Konzertbetrieb
Auch die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) entfacht den Dialog über Nachhaltigkeit im Kulturbereich: Die Organisation hat ein Positionspapier aufgesetzt, das nachhaltige Perspektiven für den Orchester- und Konzertbetrieb aufzeigt. Und auch hier wird sich dafür ausgesprochen, dass neben Klima und Umwelt ebenfalls ökonomische Aspekte Einzug erhalten sollten: „Wir meinen, dass die Implementierung von Nachhaltigkeitsstrategien neben ökologischen Potenzialen auch substanzielle wirtschaftliche Entwicklungen freisetzen kann“, so DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens.
Kultur als Katalysator
Wir alle möchten den Kulturbetrieb nachhaltig(er) gestalten. In der aktuellen Ausgabe der Stadtrevue bestätigt auch Stefan Charles, Kulturdezernent der Stadt Köln, diesen kollektiven Wunsch: „Nachhaltigkeit ist ein aktives Thema. Alle Menschen, mit denen Sie über Nachhaltigkeit sprechen, wollen etwas tun. Sie wollen wirklich wissen: Was kann ICH tun, was kann ich JETZT tun?“ (Stefan Charles‘ neueste Pläne für die Kultur in Köln, könnt Ihr hier übrigens nachlesen. 😉 )
An dieser Stelle wollen wir noch eine weitere Dimension von Kultur im Kontext von Nachhaltigkeit ansprechen. Denn wir haben nicht nur die Möglichkeit das Vorhaben ‚Nachhaltigkeit‘ mit der Umgestaltung und Optimierung unseres eigenen Betriebs zu pushen, wir können die Kultur auch als Werkzeug und Katalysator für nachhaltigeres Arbeiten nutzen!
Obwohl Christoph selbst nicht aus der Kulturszene stammt, rät er uns unser Arbeitsfeld ganz einfach zunutze zu machen und durch die Kunst eine Transformation zu schaffen: „Kunst & Kultur haben etwas Verbindendes, und können Verständnis für Zusammenarbeit schaffen.“ Wir können den Dialog über Nachhaltigkeit so oft wie möglich während Veranstaltungen, Teammeetings und Co. implementieren und das Thema bei jeder sich bietenden Gelegenheit präsent halten, Sensibilität für nachhaltige Arbeitsweisen innerhalb unserer Communities entfachen und uns selbst up-to-date halten. Bewusstsein zur Thematik schaffen ist die Devise! Im Detail heißt das für Kultureinrichtungen, dass sie nicht nur ihren Arbeitsalltag nachhaltig gestalten können, sondern Nachhaltigkeit in Kunstwerken, Theaterstücken, Konzerten, Workshops oder etwa im Rahmen einer Stadtführung integrieren können.
Nachhaltigkeit ist ein stetiger Prozess, der individuell und kontextuell immer wieder angepasst werden muss – eine maßgeschneiderte Lösung existiert nicht. Dafür aber viele Ebenen, auf denen Nachhaltigkeit gelebt werden kann: auf der finanziellen, der digitalen, der sozialen, der Umwelt- und Klimaebene. Aber auch die Integration von Migrant:innen in den Arbeitsalltag oder eine sinnvolle Nutzung von Räumlichkeiten kann nachhaltig gestaltet werden.
Ihr seht: Es gibt einiges zu erlernen. Das wollen wir in den nächsten Monaten tun – für uns und für Euch. Verfolgt das Thema ab sofort auf unserem Blog. Und wie immer freuen wir uns über Euer Feedback! Was interessiert Euch in Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb? Teilt es uns mit!