Arts & Leading: Ode an die Wertschätzung

von Janine Henn

„Nach meiner Erfahrung sind die populärsten Chefs auch nicht immer unbedingt die besten„, so Drehbuchautor Ralf Husmann (im Podcast Lakonisch Elegant), der selbst Serienrollen wie Stromberg und Frau Jordan erschuf. Beide spielen eine Führungsperson, die jedoch kaum unterschiedlicher sein könnten.

Die Bandbreite der Persönlichkeiten in Führungspositionen ist eben genauso groß wie die Vielfalt unserer menschlichen Spezies. Und ganz klar – nicht alle von Ihnen sollten diese Position innehaben. Wieso ungeeignete Personen trotzdem Unternehmen leiten? Nun zunächst einmal wissen sie nichts davon, dass sie ungeeignet sind. Bei einigen fällt vielleicht der Groschen, wenn auf die Einladung zum gemeinsamen Kaffee oder Bier niemand reagiert. Und hierzu ein sehr schlichtes Gedankenexperiment: Würdet Ihr die Einladung von Eurer/Eurem Chef:in annehmen? Wieso ja oder wieso nein? Und schon seid Ihr mitten im Hinterfragungs-Prozess der Strukturen. Und es geht weiter: Wer aus dem Team oder der Gruppe würde die Einladung annehmen und aus welchen löblichen oder gezwungenen Motiven heraus? Ein neuer Gedankengang: Ihr seid Chef:in. Erscheint eine Einladung zu privaten Unternehmungen überhaupt angemessen? Wer würde die Einladung annehmen?

Egal, aus welcher Perspektive Ihr gerade auf das Thema blickt und wie gerne ihr das tut, es schadet ganz bestimmt nicht, mal einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Einigen hilft es, den Bewerbungsprozess für einen anderen Arbeitgeber zu durchlaufen und diesen kennenzulernen, um wieder klar vor Augen zu haben, was doch eigentlich alles richtig super läuft am eigenen Arbeitsplatz. Anderen öffnet genau dieses Vorgehen auch die Tür zur Kenntnis des eigenen Marktwertes. So unschön dieser Begriff auch ist, wir alle fühlen uns auch beruflich gerne wertvoll und bestenfalls wertgeschätzt.

Die gegenseitige Wertschätzung ist eine der schwierigsten internen Herausforderungen und gleichzeitig eine der größten Verantwortungen für Personen in leitender Funktion.

communication is key

Wer von Euch bei Wertschätzung unmittelbar an Tools zur Kommunikation denkt, ist auf dem besten Weg, eine hervorragende Führungsperson zu sein.

Eine Führungsperson hat nicht nur zur Aufgabe, Mobbingprävention in den Kreisen der Unterstellten zu betreiben, sondern sollte von Beginn an eine Struktur schaffen, die es auch ihr selbst nicht ermöglicht, zu mobben bzw. zu bossen. Nicht nur, dass laut Studien zu Mobbing die Folgen für Vorgesetzte am geringsten sind, sondern auch, dass Bossing den Betroffenen am stärksten schadet, sei es gesundheitlich oder beruflich oder im worst case auf beiden oder weiteren Ebenen.

Im besten Falle werden solche Situationen vermieden. Dazu braucht es Strategien. Ist die leitende Person der Meinung, es lässt sich nicht vermeiden, zeugt dies von Selbstreflektion und ist allemal besser, als zu leugnen, dass die menschliche Fehlerbehaftung auch für sie gilt. Aber auch in dem Falle braucht es Strategien. Denn wo Prävention fehlt, ist die Komplexität im Nachhinein definitiv gesteigert.

Das alles klingt nach Verantwortung, auf die die wenigsten Lust haben. Um an dieser Stelle aber zu ermutigen, sich an die Leitung von Gruppen, Vereinen oder Unternehmen heranzutrauen, haben wir nach Instrumenten gesucht. Neben den bestehenden strategischen Modellen können sich vorbereitend auf eine Führungsposition verschiedene Fähigkeiten, und somit Kompetenz und Resilienz antrainiert werden.

Instrument Kritik vs. Instrument Wertschätzung

Gerade die Kritik wird häufig geübt ohne eine gewisse Anwendungskompetenz. Die Kommunikationswissenschaft hat viele soziale und individuelle Negativauswirkungen von Kritik für das gesamte Arbeitsverhältnis herausgestellt. Die kritisierte Person fühlt sich demnach meist abgewertet. Die Intention von Kritik sollte es aber doch sein, dass Motivation geschaffen wird, um ein Verhalten oder einen Prozess zum Besseren hin zu verändern. Wird das Instrument der Kritik nun durch Aufmerksamkeit und Wertschätzung – zumindest zu einem Teil – ersetzt, ist nachgewiesenermaßen die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Anregungen auch umgesetzt werden.

Vor allem in vielen Kultureinrichtungen ist es schwieriger, positive Anreize zur Motivation zu geben. Wenn Gehaltserhöhungen und Aufstiegschancen keine Option sind, ist Wertschätzung eine elementare Grundlage.

Gleichzeitig hilft es auch, den zu Führenden eine Angriffsfläche zu bieten. Kommunikation ist keine Einbahnstraße, daher führt es zu nichts, sie einseitig betreiben zu wollen. Wir kennen alle den Spruch ‚man kann nicht nicht kommunizieren‘. Dieser Satz nervt, aber eben vor allem, weil er dann doch sehr zutreffend ist. Nur wer sich mit seinen Mitarbeiter:innen unterhält, lernt sie und ihre Arbeitsweise kennen. Was zuerst nach Aufwand klingt, macht sich in den Resultaten bezahlt. Es fällt leichter, die Aufgaben aller zu koordinieren, wenn die individuellen Stärken und Fähigkeiten bekannt sind.

Die Führungsinstrumente mit den beiden Schwerpunkten Kommunikation und Koordination liegen sehr eng beieinander und sollten stimmig sein, damit sie in einer Art Symbiose funktionieren.

Unterstützung durch Digitale Kommunikation

In der objektiven Wahrnehmung steigt doch die Bedeutung von sozialer Vernetzung in zahlreichen Arbeitsfeldern. Viele und vor allem die durch die voranschreitende Digitalisierung entstandenen und umgewandelten Tätigkeiten setzen Kommunikation und Austausch der Mitarbeitenden untereinander regelrecht voraus. War die Kommunikation im Beruf also schon immer ein notwendiges Werkzeug zum gemeinsamen Erfolg, so wird dies in digitalen Arbeitsstrukturen in einer noch stärkeren Deutlichkeit offenbar.

Wo es möglich ist, wird auch in Kunst und Kultur vermehrt auf digitale Kommunikation zurückgegriffen und die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr haben uns ganz neue Erkenntnisse dazu geliefert, welche Prozesse auch ohne Anwesenheit aller ablaufen können. Es ist sicher nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt, zu behaupten, dass es eine Ausstellungsleiterin in dieser Hinsicht leichter hat als eine Dramaturgin. Beide hatten mehr mit der Krise zu kämpfen als eine Gründerin einer Online-Shoppingplattform. Dennoch bedingt eine Veränderung in unserer Lebensweise auf allen Ebenen und in allen Branchen ein Umdenken. Die Wandelbarkeit und das Krisenmanagement einer Führungsperson tragen maßgeblich dazu bei, dass Jobs gesichert werden, dass sie fair und dadurch attraktiv sind.

Die Tatsache, dass immer mehr junge Menschen von einer Arbeit träumen, die ortsunabhängig und selbstständig ausgeübt werden kann, ist sicher kein Produkt aus der Zufriedenheit mit den bestehenden Strukturen inklusive steiler Hierarchien und lückenloser Lebensläufe. Der Studiengang New Work ist nur ein Beispiel von vielen, der den Wunsch ausdrückt, den Arbeitsmarkt zu revolutionieren. Arbeitgeber können online auf kununu.com ganz anonym bewertet werden. Da es in unserer menschlichen Natur liegt, dass wir oft erst aus einer Notwendigkeit heraus handeln, liegt die Vermutung nahe, dass es hier nur so von Beschwerden wimmelt. In scheinbar zu vielen Fällen versagen die unterstützenden und beschützenden Systeme und machen diese Form der Notwehr notwendig. Ein Betriebsrat beispielsweise kann selten retten, was in den Strukturen hartnäckig verankert falsch läuft.

Führungsgrundlage: Führungsstil, Führungsprinzipien und Macht

Schauen wir nur zehn Jahre zurück, lassen sich diese Debatten um Arbeitsstrukturen in der Öffentlichkeit nicht finden. Die Trägheit gesellschaftlicher Veränderung hat nun die Aufgabe, mit der schnellen Digitalisierung und den multiplen Krisen Tempo zu halten. Es wird sich zeigen, inwiefern tradierte Unternehmensstrukturen und hierarchische Modelle beibehalten werden können und wo sich Ansätze zur Verbesserung finden. Nicht jeder alte weiße Mann muss aus seinem Chefsessel geschubst werden, denn auch er kann noch in einem System arbeiten, dass kommunikativ, partizipativ, demokratisch und fair sein möchte und sollte. Er kann dazu ein Team an seiner Seite gebrauchen und neue Instrumente und Strategien.

Laut Hausmann sind es vor allem die folgenden drei Faktoren, welche das Fundament für Führungsverhalten bilden: Der Führungsstil, die Führungsprinzipien und Macht als zentrale Führungsgrundlage.

Wenn darauf unsere Strukturen aufbauen, ist die Persönlichkeit der Führungsperson mit individuellen Werten und Erfahrungen allerdings der maßgebliche Faktor. Denn daran orientieren sich zumindest zwei der drei als fundamental betrachteten Grundlagen. In den meisten Arbeitsstrukturen gibt es auch eine zuvor schon etablierte Organisationskultur und daher ist auch die Flexibilität und Anpassung der Mitarbeiter etwas, das selten einfach vorausgesetzt werden kann. Und auch die zu Leitenden beeinflussen demnach den Führungsstil ihres Chefs.

Du findest dich hier wieder und hast bereits solche Erfahrungen gemacht? Dann freu Dich auf den nächsten Beitrag zum Thema Leadership – dort gehen wir nochmal etwas expliziter auf die verschiedenen Führungsstile ein!

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